
Hecheln im Wartezimmer
Hecheln im Wartezimmer
Ob Hunde, Katzen, Vögel oder Schlangen - in der Kleintierklinik in Ossweil werden viele Arten von Kleintieren behandelt. Klinikleiter Dr. Michael Schneider-Haiss und Dr. Marc Goldhammer arbeiten das dritte Jahr in Partnerschaft.
Mit großen Augen und am ganzen Körper zitternd lässt Mischlingshündin Fortuna die Prozedur über sich ergehen: Im Behandlungsraum wird ihr ein Verband am Fuß gewechselt. Diese weißen hohen Räume und der ungewöhnliche Duft nach Medikamenten und fremden Tieren, die der Mensch nicht wahrnehmen kann, bereiten den meisten Patienten ein Unwohlsein. Zumal sie gar nicht wissen, dass die Ärzte ihnen nur helfen. "Die Hündin, die schon etwas älter ist, leidet an Arthrose und lässt deshalb beim Laufen die Pfoten schleifen. So kam es zu einer Abnutzung der Kralle und zu einer Entzündung im Krallenbett", sagt die behandelnde Fachtierärztin Annika Töpfer.
Wenn man das erste Mal in die Kleintierklinik in Ludwigsburg-Ossweil eintritt, könnte man meinen, es handelt sich um eine Arztpraxis für Menschen. Der Eingang ist groß und hell, die Anmeldetheke lang. Erst der Blick auf das Wartezimmer verrät, dass es sich um eine Klinik für Tiere handelt. Hunde und Katzen warten an der Leine oder in einer Transportbox ihrer Besitzer darauf behandelt zu werden.
Pro Tag hat die Klinik um die 100 tierische Patienten. "Katzen sind die häufigsten Patienten bei uns, dicht gefolgt von Hunden", sagt Dr. Michael Schneider-Haiss, der gemeinsam mit Dr. Marc Goldhammer die Tierklinik leitet. Ein weitaus kleinerer Teil der Patienten sind Heimtiere, wie Hasen, Meerschweinchen und Hamster und Exoten, wie Reptilien und Vögel. Einmal in der Woche kommt der Vogelspezialist Dr. Gerd Britsch in die Tierklinik, um die Exoten und vor allem Papageien zu behandeln.
Grundsätzlich haben sich die Krankheiten weder gehäuft noch zeichnet sich ein Trend ab, doch da es die "technischen Möglichkeiten" hergeben, sind Dr. Schneider-Haiss und seine Kollegen heutzutage in der Lage, viel mehr und spezifischer zu diagnostizieren als früher.
Auf den Vormittag sind neben den regulären Sprechstunden die ganzen Operationstermine gelegt. Der vierjährige Zwerg-Schnauzerrüde Luca hat einen kleinen Tumor am Augenlid. "Wir machen den Tumor lieber gleich weg, bevor er zu groß wird und man eventuell zu viel vom Augenlid entfernen muss", erklärt Dr. Schneider-Haiss, während er dem Tier einen Venenkatheter anlegt. Das "schonendste" Narkosemittel, so der Tierarzt, wird nun in die Venen des kleinen Hundes eingeführt.
Die häufigsten Krankheiten, die auftreten, sind stark rassespezifisch: "Rassenassoziierte Krankheiten treten zum Beispiel bei der beliebten Französischen Bulldogge auf. Die Verengung der oberen Luftwege ist eine häufige Krankheit. Mindestens 50 Prozent der Tiere leiden darunter. Operativ müssen dann diese Wege erweitert werden", so Schneider-Haiss. Dackel beispielsweise leiden des Öfteren am Bandscheibenvorfall. Cavalier-King-Charles-Spaniel leiden eher unter internistischen Problemen - eine Erkrankung der Herzklappe werde nicht selten diagnostiziert.
Innerhalb von einer Minute verfällt Rüde Luca in einen Tiefschlaf. Den scheinbaren leblosen Körper trägt Dr. Schneider-Haiss behutsam zum Operationstisch. Das grelle weiße Licht ist auf den kleinen Körper gerichtet. Die ruhige Stimmung wird vom gleichmäßigen Piepsen des Beatmungsgerätes unterstrichen. Auch der Herzschlag des Hundes wird über ein Gerät ständig kontrolliert. "Der Teil des Tumors, den man sehen kann, ist nur die Spitze des Eisberges", so der Experte. Mit einer Art Pinzette zieht er das Geschwür aus dem Lid. Es ähnelt einem schmalen langgezogenen Olivenkern. Mit einem sehr dünnen Faden - der auch in der humanen Gesichtschirugie verwendet wird, so Dr. Schneider-Haiss - näht er die kleine Wunde wieder zu. "Stufenlos und sauber" müsse der Schnitt geschlossen werden, sodass das Lid sich wieder optimal bewegen könne, betont der Klinikleiter. Das Fadenende dürfe am Schluss nicht auf die Hornhaut drücken, sonst könnten sich Entzündungen bilden, fügt er hinzu. Bei diesem Eingriff ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, bei "noch feineren Sachen arbeite ich mit einem Mikroskop", sagt Schneider-Haiss. Diese Augen-Operation dauert gerade mal 15 Minuten. Darauf wird Luca noch der Zahnstein entfernt, und dann darf er in den "Aufwachraum".
Dr. Michael Schneider-Haiss zog mit seinem Team 1992 in die neu gebaute Immobilie in der Karl-Heinrich-Käferle Straße in Ludwigsburg-Ossweil. Zwei Jahre später, nachdem alles streng geprüft wurde, wurde die "normale Tierpraxis" zur vollwertigen Klinik. "Insgesamt sind wir 35 Mitarbeiter und zwölf davon sind Tierärzte", erklärt Michael Schneider-Haiss. Weil die Klinik sieben Tage die Woche und auch nachts Patienten betreut, seien die vielen Mitarbeiter dringend notwendig, so Schneider-Haiss. Dr. Marc Goldhammer, Spezialist für Kleintierchirurgie, rundete vor sechs Jahren das Ärzteteam ab. Und inzwischen ist es das dritte Jahr der gleichberechtigten Partnerschaft mit Kollege Dr. Michael Schneider-Haiss.
Seit mehreren Jahren arbeitet die Tierklinik in Kooperation mit der Wilhelma in Bad Cannstatt. Immer wieder kommen Exoten in die Klinik. "Wir hatten erst einen Orang-Utan da und einen Nasenbären", erinnert sich Dr. Schneider-Haiss. Da die Klinik, neben ihrer fachmännischen Kompetenz, auch die technischen Möglichkeiten zur erweiternden Diagnostik haben, arbeitet die Wilhelma mit ihnen zusammen. "Der Kollege Dr. Goldhammer war gerade erst dort und hat einen Elefanten mit dem Laser behandelt." Im Ohr des Elefanten hatten sich Gewebsveränderungen gebildet, die durch die Laserbehandlung beseitigt wurden. "Der Elefant wurde dort behandelt und kam nicht in die Klinik", fügt Dr. Schneider-Haiss hinzu.
Das Thema "Einschläfern" spielt natürlich auch in der Tierklinik eine Rolle. "Man ist immer betroffen, wenn man ein Tier einschläfern muss, aber manchmal auch erleichtert, weil man weiß, dass ihm das Leiden nimmt. Aber gleichgültig wird das einem nie", betont Dr. Schneider-Haiss. "Es sind eher die menschlichen Schicksale, die nahe gehen. Wenn zum Beispiel eine einsame ältere Dame ihren letzten Begleiter gehen lassen muss."
Die Besitzer dürfen die Tierkadaver in der Regel mitnehmen und daheim beisetzen, es sei denn sie wohnen im Wasserschutzgebiet, betont Schneider-Haiss. Tierkörper, die nicht mitgenommen werden, kommen zur staatlichen Tierkörperbeseitigungsanstalt. Dort werden sie dann verbrannt.
Die Landestierärztekammer führt regelmäßig Kontrollen durch, in denen der Stand der Technik und die Mitarbeiter geprüft werden. Hierbei muss die Klinikleitung gewisse Vorschriften nachweisen können, unter anderem haben die Tierärzte die Pflicht, 40 Fortbildungsstunden pro Jahr nachzuweisen. Diese finden dann bei Kongressen mit staatlich anerkannten Prüfern statt.
Für Dr. Schneider-Haiss und seine Kollegen gibt es keine Pause. "Wir haben mindestens zehn Operationen am Tag. Die führe ich natürlich nicht alle alleine durch."
Als nächstes steht ein Kreuzbandriss bei einem anderen Hund auf dem Plan. Da es sich hierbei um einen Eingriff handelt, der extrem steril gehalten werden muss, - Dr. Schneider-Haiss wird am offenen Knie operieren - ist er verpflichtet, als erstes eine Putz- und Desinfizierprozedur durchzuführen. Die Hände werden, nachdem er sie mit Bürste und Seife ausgiebig geschruppt hat, dreimal desinfiziert. Danach schlüpft Schneider-Haiss in seinen Operationskittel, auf dem ein Indikatorstreifen die Sterilität nachweist, und zieht die Latexhandschuhe über. Nach der Desinfizierung darf nichts mehr angefasst werden, deshalb sind alle Armaturen "Ellenbogen-bedienbar".
Der Vierbeiner liegt bereits narkotisiert im Nachbarraum auf dem Operationstisch - eine sterile Abdeckfolie verdeckt den Blick auf den Patienten, nur das Bein mit dem Leidensknie liegt frei. "Ob es sich um ein Meniskusschaden handelt, sehe ich erst, wenn ich das Knie aufgeschnitten habe," aber die Arthrose müsse er auf jeden Fall abtragen, so Dr. Schneider-Haiss.