Wir reden hier nicht über Peanuts
Schul- und Bauausschuss debattieren über eine lange Investitionsliste – Verwunderung über hohe Priorität für Lämmle-Schule.
Etwas eigenartig die Situation: Da wird über 21 Projekte für Schulen und Kitas debattiert, die inzwischen auf rund 150 Millionen Euro taxiert werden und die alle wichtig sind – doch Geld hat die Stadt dafür nicht. Die Beratung also nur ein Scheingefecht, ein absurdes Lustspiel? Zumindest haben die Stadträte im Kulturzentrum die Hauptrolle in diesem Stück zugewiesen bekommen: Sie sollen sagen, in welcher Reihenfolge etwas gemacht wird. Sollten sie nebenbei noch eine Schatzkiste finden, auch nicht schlecht.
Doch so amüsant die Geschichte klingt, sie hat einen ernsten Hintergrund. Ludwigsburg will seine Schulen und Kitas auf Vordermann bringen und hat sich sehr viel vorgenommen. Eine Liste über anstehende Investitionen sollte Klarheit bringen (wir berichteten). Nur wenige Projekte sind anfinanziert, der größte Teil kann erst nach 2025 angegangen werden, so die Befürchtung der Stadträte.
„So was hat man früher bei den Haushaltsberatungen diskutiert“, kritisierte CDU-Stadtrat Reinhold Noz in der gemeinsamen Sitzung des Schulausschusses und des Bauausschusses. „Da fragen wir uns, ob das noch der richtige Weg ist.“ Ausgerechnet Projekte aus dem Bereich Bildung und Betreuung, die so wichtig sind, stehen in der Warteschleife. Und dabei handelt es sich auch um große Kaliber wie das Bildungszentrum West mit Sanierungskosten von 40 bis 60 Millionen.
„Wir reden hier nicht über Peanuts“, stellte denn auch FW-Fraktionschef Reinhardt Weiss fest. Obwohl in Finanzdingen ein Experte, wird ihm, wie er sagt, fast schwindelig angesichts der Zahlen. Dass diese wichtigen Fragen innerhalb von zwei Wochen entschieden werden sollen, hält er für verfehlt. „Die Zeit ist zu knapp.“
Einig waren sich die Stadträte der beiden Ausschüsse nach einer gut zweistündigen, engagierten Beratung, dass sie noch nicht über die Investitionen und deren Rangfolge abstimmen wollten. Sie verlangen weitere Angaben zu einzelnen Bauvorhaben, wollen auch die Folgekosten wissen. Außerdem soll die Verwaltung ergänzend eine Liste vorlegen, aus der ersichtlich ist, was für Investitionen im Tiefbau in den nächsten Jahren anstehen. Erst dann könne richtig abgewogen werden. Die Liste sagte der Baubürgermeister erst für Juni zu. Nächste Woche wird der Ausschuss für Wirtschaft, Kultur und Finanzen beraten, dem Schulausschuss werden weitere Details vorgelegt. Danach soll das Thema im Gemeinderat auf die Tagesordnung.
Die Liste: Die Investitionsliste, die die Stadt vorgelegt hat und in der sie vorschlägt, in welcher Reihenfolge Bauprojekte angegangen werden könnten, fand bei CDU, den Grünen und der FDP weitgehend Zustimmung, sie sei im großen Ganzen nachvollziehbar. „Wir hatten eine solche Expertise eingefordert“, stellte Markus Gericke (Grüne) fest. „Die Reihenfolge ist in Ordnung“, so Heer (FDP). Kritisch werteten die Liste SPD und Freie Wähler, weil für sie wichtige Projekte nach hinten gerutscht sind.
Rangfolge: Was wann gebaut werden soll, war deshalb teils heftig umstritten. Die Freien Wähler und die SPD können nicht nachvollziehen, warum die Sporthalle Ost – sie wurde einst als wichtigstes Sporthallenprojekt eingestuft – ganz nach hinten rutscht. Umgekehrt wundert sich Liepins darüber, dass die Lämmle-Schule und die Mehrzweckhalle Oßweil plötzlich auf vorderen Rängen zu finden sind (siehe auch Zweittext). Für die Grünen und die FDP ist das in Ordnung, die CDU hat noch Fragen im Vergleich zur Sporthalle Ost.
Hoheneck: Für Stadtrat Andreas Rothacker (FW) war überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Schulturnhalle Hoheneck überhaupt auf dieser Liste auftaucht. Dazu gebe es bereits einen Beschluss des Gemeinderats, die Gelder für den Neubau seien genehmigt. Über die Halle müsse nicht mehr beraten werden. Die SPD schloss sich dem Urteil an.
Finanzen: Ohne die Kosten, so die Kritik von Noz (CDU), lege man einen Blindflug hin. Zur Beurteilung der einzelnen Bauprojekte müsste auch der finanzielle Rahmen abgesteckt sein. Die Freien Wähler forderten zudem, die Folgekosten offenzulegen. Auf den Hinweis der Verwaltung, dass dies nur ungefähr geschehen könne, bemerkte Weiss (FW) angesichts der hohen Summen, um die es geht, sarkastisch: „Auf die eine oder andere Million hin oder her kommt es jetzt auch nicht mehr an.“ Allerdings betonte er, dass selbst eine Steuererhöhung, wie derzeit von der Rathausspitze gewünscht, bei weitem nicht die Probleme lösen würde.
Wer entscheidet? Bei den Stadträten war deutlich Unmut zu spüren, weil manche Bauprojekte liegen geblieben sind. Die Verwaltung verzögere Vorhaben, so Margit Liepins (SPD). Zu Neckarweihingen, wo sich die Verwaltung mit ihren Ansichten zum Kinder- und Familienzentrum nicht durchgesetzt hat, sagte sie: „Es kommt mir so vor, als ob die Neckarweihinger dafür bestraft werden.“ Denn der Ausbau der Betreuung ist nach hinten gerutscht. Erster Bürgermeister Konrad Seigfried wies das von sich, die Liste sei nach sachlichen Kriterien erstellt worden. Was gemacht würde, entscheide der Gemeinderat, nicht die Verwaltung.
Unter Zeitdruck: Stadträte beklagten, dass Entscheidungen, die die nächsten Jahre und Jahrzehnte Ludwigsburg beschäftigen werden, nicht innerhalb kurzer Zeit getroffen werden könnten. Es gebe zu viele Fragen zu klären. Auch die SPD forderte weitere Infos ein, ohne die eine solche Investitionsliste nicht beraten werden könne. Es stünden Bauvorhaben als dringlich an, die bislang weniger im Blickfeld waren.
Investitionsliste: Die Stadtverwaltung hat eine Investitionsliste vorgelegt, um festzulegen, welche Schulen und Kitas in den nächsten Jahren gebaut werden sollen. Beurteilt wurde dies nach Gebäudezustand und Bedarf.
Quelle:
Ludwigsburger Kreiszeitung
Von Hans-Peter Jans 09. Mai 2015