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Stadtbahn: Räte sehen nur eine Option

Der Gemeinderat kann sich ausschließlich Niederflurbahnen in der Barockstadt vorstellen. Alles andere passe nicht ins Bild. Das könnte ein Problem sein: In der gesamten Region Stuttgart sind nur Hochflurbahnen unterwegs.

So viel Einigkeit gibt es selten im Ludwigsburger Gemeinderat: Wenn überhaupt einmal eine Stadtbahn durch Ludwigsburg fahren soll, dann muss es eine Niederflurbahn sein, das betonten in der Sitzung am Mittwoch fast alle Fraktionen. Diese Festlegung könnte jedoch eine große Hürde für das Projekt sein. Denn es ist absehbar, dass ein Schienenverkehr in der Niederflurvariante erheblich teurer wäre als eine Hochflurbahn – nicht zuletzt, weil damit eine Kooperation mit der Stuttgarter Straßenbahn AG (SSB) vermutlich ausgeschlossen wäre.

Ausschlaggebend für die Ansicht der Räte ist die Sorge um das Stadtbild: Eine klobige Hochflurbahn sei unvorstellbar im barocken Ambiente Ludwigsburgs – die dafür notwendigen erhöhten Bahnsteige erst recht, hieß es. Ohnehin hält sich die Begeisterung für eine Stadtbahn in Grenzen, vor allem bei der CDU und den Freien Wählern. Dass eine Niederflurbahn überhaupt wieder in der Diskussion ist, liegt daran, dass diese Variante in einer jüngst veröffentlichten Kosten-Nutzen-Analyse als technisch umsetzbar und sinnvoll bewertet wurde – anders als bei früheren Prüfungen. Allerdings bekam auch eine Hochflurbahn von Remseck über Pattonville, Ludwigsburg, Möglingen und Markgröningen gute Noten in der Untersuchung.
Es gab eine Lösung für eine Hochflurbahn

Angesichts der Haltung in Ludwigsburg dürfte sich manch anderer auf die Lippe beißen. Denn Ludwigsburg hat als betroffene Kommune zwar den Vortritt bei der Meinungsbildung. Doch das Projekt wird bereits seit Jahren diskutiert – und zuletzt hatte man eine Lösung gefunden, bei der die in der gesamten Region eingesetzte Hochflurtechnik angewandt werden kann, ohne dass die historische Innenstadt darunter leidet. Diese Variante entspricht der in der Kosten-Nutzen-Analyse ebenfalls als sinnvoll erachteten Strecke von Remseck nach Markgröningen, zusätzlich sollte eine Verbindung über Wilhelmstraße und Schorndorfer Tor nach Oßweil durch Elektrobusse gewährleistet werden.

Diese Option hatte man insbesondere beim Landratsamt favorisiert. Dort steht man der Niederflurbahn auch eher skeptisch gegenüber: „Ich bin überzeugt, dass diese im Betrieb deutlich teurer ist“, betont der Landrat Rainer Haas. Schließlich bedeute ein solcher Systemwechsel, dass eigene Fahrzeuge samt Reservewagen und Ersatzteilen angeschafft, ein eigener Betriebshof eingerichtet und eigenes Personal angestellt werden müsste. Susanne Schupp, die Sprecherin der SSB, sagt nur so viel: „Wir haben nur Hochflurbahnen, das hat sich sehr bewährt.“ Eine Kooperation mit einem Niederflursystem sei schwierig.
Die Ludwigsburger Stadtverwaltung hält sich bedeckt

Auch in den betroffenen Nachbarkommunen sähe man ein Hochflursystem lieber: „Ich denke, das wäre kostengünstiger“, sagt Rudolf Kürner, Bürgermeister von Markgröningen. Auch Dirk Schönberger, Oberbürgermeister von Remseck, betont: „Ich dachte bislang, die Hochflurvariante sei wahrscheinlicher.“ Doch man sei für alles offen, Hauptsache, die Bahn komme, heißt es von beiden – in Möglingen war niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Bei der Stadt Ludwigsburg hält man sich bedeckt angesichts der Präferenzen der Räte. „Beide Varianten haben Vor- und Nachteile“, sagt der Baubürgermeister Michael Ilk, der sich zuvor eher für die Hochflurbahn ausgesprochen hatte. Doch auch diese sei schwierig zu realisieren, unter anderem, weil völlig unklar sei, wie eine Streckenführung im Nadelöhr Bahnhof/Schillerdurchlass aussehen könnte. Ohnehin wollen alle Seiten nun erst einmal die genaue Berechnung der Betriebskosten abwarten. Bislang wurden nur die Investitionskosten geschätzt: auf rund 200 Millionen Euro bei der Niederflur- und etwa 150 Millionen Euro bei der Hochflurvariante.

Kommentar: Fragwürdiger Fokus

Es ist natürlich schöner, sich eine Niederflurbahn in Ludwigsburg vorzustellen, die ohne wuchtige Hochbahnsteige auskommt und sich besser ins Stadtbild einfügt – zumal eine Hochflurbahn offenbar auch nicht so einfach realisiert werden kann. Umso mehr, da man es sich in der Barockstadt jüngst verstärkt zur Aufgabe gemacht hat, auf eine harmonische Gestaltung der Kommune zu achten.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob es sinnvoll ist, sich bei einer Stadtbahn vornehmlich auf optische Kriterien zu konzentrieren. Die Einrichtung einer solchen Bahn ist ein Mammutprojekt mit immensen Kosten. Wer dieses stemmen will, muss voll dahinter stehen – auch, um die Sache gegenüber Bürgern und Steuerzahlern vertreten zu können. Daher gilt es, sich zunächst alle Optionen offen zu halten, um letztlich die beste Lösung zu finden – vor allem eine, die auch finanziell umsetzbar ist.

Die Betriebskosten für die Stadtbahnvarianten sind zwar noch nicht kalkuliert, doch es bedarf nicht viel, um sich auszurechnen, dass es weit teurer ist, ein komplett neues Niederflursystem aufzubauen, als sich an das bestehende Hochflursystem anzuschließen. Sicher, träumen ist erlaubt. Aber wer wirklich den Ausbau des Nahverkehrs auf Schienen will, sollte auch bereit sein, sich auf Kompromisse einzulassen – oder zumindest darüber nachzudenken.

Wer sich hingegen beim Thema Stadtbahn von vornherein nur auf die Optik versteift, wird der Sache nicht gerecht. Ein klares Bekenntnis zum öffentlichen Nahverkehr sieht anders aus.